Ich habe nichts gegen Kinder, nur bitte nicht hier

Ich meine, irgendwo mal gelesen zu haben, dass die Bahn ihre Kleinkinderabteile abschaffen möchte. Eine intensive dreiminütige Recherche hat nur einen Artikel von 2003 dazu hervor gebracht. Da ich zumindest letztes Jahr einmal mit den Kindern Kleinkindabteil gefahren bin, weiß ich, dass es die im Moment noch gibt.

Sei es drum. Als ich also hörte, dass die Bahn ihre Kleinkindabteile abschafft, war ich entsetzt. Was soll das? Reisen im Kleinkindabteil ist super. Die Kinder können sich bewegen, spielen, plärren, ich kann stillen, wir können alles vollbröseln und Windeln wechseln ist auch kein Problem. Es gibt ohnehin viel zu wenig Plätze und dann sollen diese wenigen Plätze noch abgeschafft werden? Ja sind die denn verrückt?

Dann hat das Ganze in mir gearbeitet und ich habe meine Meinung inzwischen komplett geändert und ich fordere: Ja! Schafft die Kleinkindabteile ab! Schafft sie ab! Ich will keine Extrawürste für Familien mit Kindern mehr. Ich will, dass die Gesellschaft Kinder akzeptieren lernt. Dass die Menschen lernen aufeinander Rücksicht zu nehmen. Dass es akzeptiert wird, dass Kinder ein bißchen lauter sind als Erwachsene. Dass sie vielleicht mal auf den Sitzen stehen und andere angrinsen oder unqualifizierte Fragen der Art „Was machst Du da?“ stellen. Ich WILL, dass Menschen einen nicht böse und genervt anschauen, weil ein Baby schreit. Dass sie einem nicht das Gefühl geben, dass man die Sache nicht im Griff hat oder dass das Baby nicht gut erzogen ist (oder ähnlich absurde Ansichten, die man durchaus mitgeteilt bekommt, wenn ein der Sprache nicht mächtiges Wesen sich nicht anders als mit Schreien zu artikulieren weiß).

Ja und jetzt bin ich richtig in Fahrt und denke an diesen unsäglichen Artikel in der TAZ, der über die Prenzlauer Berg Mütter herzieht, weil sie es wagen in Cafés zu gehen und dann auch noch dort stillen. Auch habe ich den Artikel von Lars Reinecke, der sich darüber empört, dass am Familientag keine Kinder unter acht mit zur CeBIT dürfen, gelesen.

Was das alles miteinander zu tun hat? Es geht um Familienfreundlichkeit. Lars Reinecke schreibt (offenbar sehr wütend, wie man an der Wortwahl erkennen kann):

Vereinbarkeit von Familie und Beruf? Am Arsch.

»Ja, in Dänemark und Schweden, da sind die Verhältnisse ja auch ganz anders, da sind die Leute ja auch viel kinderfreundlicher, so allgemein.«

Ja, verdammt, dann seid es hier doch einfach auch, ihr Arschlöcher! Vielleicht ändern sich dann hier auch die Verhältnisse.

Ich verstehe seinen Ärger, auch wenn ich die Vergleiche im Artikel und auch den Adressaten der Verärgerung (das Personal vor Ort) für inadäquat halte, aber ich verstehe es und ich sage: Mehr davon! Vor allem seitens der Väter. Wir wollen Gleichbereichtigung – auch in der Familie. D.h. dass es eine Durchlässigkeit in der Gesellschaft geben muss. Es muss eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie geben, das hilft den Frauen und das hilft den Männern ihre neue (und oft geforderte) Rolle als echte Familienväter wahrzunehmen.

Ich möchte einfach Toleranz und ich möchte nicht dass Kinder ausgeschlossen werden. Klar sind Eltern-Kind-Cafés schön. Aber wäre es nicht viel schöner, wenn man mit Kindern einfach in jedes x-beliebige Café oder Restaurant gehen könnte?

Das Thema lässt sich unendlich ausweiten und wie seltsam es ist, Kinder in eigene Abteile zu schließen, schwant einen, wenn man andere Abteile eröffnet. Behindertenabteile (ist doch toll!), Altenabteile (super!), Frauenabteile (grandios!), Abteile für Ausländer (Applaus!), …

Das Zauberwort ist gegenseitge Rücksicht. Meine Kinder müssen (sofern sie alt genug sind, das zu verstehen) ja nicht im Zug rumjohlen und schreien. Sie müssen nicht mit Essen werfen oder andere Fahrgäste bewusst belästigen. Aber warum sollen sie nicht im Gang laufen dürfen? Warum sollen sie nicht in normaler Zimmerlautstärke sprechen dürfen?

Ich bin neulich in einem Aufzug von einem alten Mann angesprochen worden, weil ich mich zu laut und unangemessen (Fachterminologien und Akronyme!) mit meinem Mann unterhalten habe. Da ist mir der Kragen geplatzt. Ich darf im Aufzug nicht sprechen? Nein, ich könne ja außerhalb des Aufzugs sprechen, wo er das nicht hören muss. Er möchte seine Ruhe wenn er Aufzug fährt. Alles klar…

Ganz ehrlich. Sollen doch diese Leute zuhause bleiben und alle anderen sollen raus und lernen, dass es Unterschiedlichkeiten gibt. In Lautstärke, in Temperament, in Gewohnheiten… Isolation der einzelnen, vermeintlich störenden Gruppen bringt doch nur das Gegenteil: Vorurteile verschärfen sich mangels Erfahrung miteinander und die Ansichten verhärten sich, weil alle nur noch dünnhäutiger werden.

Also: Kinder am Familientag auf die CeBIT und dann lieber das Personal schulen und an den Stellen eingreifen lassen und mit Argumenten ausstatten, an denen Kinder auf Unverständnis bei anderen Messebesuchern stoßen.

Online Talk bei DRadio Wissen

Am Samstag zwischen 11.00 und 12.00 Uhr war ich bei DRadio Wissen beim Online Talk zum Thema Eltern im Netz.

Gestern war ich gemeinsam mit Franziska Bluhm (franziskript) und Nina Pagalies (wortwusel.net) im Online Talk bei Daniel Fiene und Herrn Pähler im Radio zu hören.

Nach dem Studium hatte ich den großen Traum ein Volontariat beim Radio zu ergattern. Das war natürlich unmöglich. Ich hab mir jedenfalls das Radio als geschäftiges Gewusel vorgestellt, eher so wie einen Bienenstock. Meine einzigen beiden Radioerfahrungen – hier und bei Radio Fritz bei trackback – haben mich eines Besseren belehrt. Während bei trackback der Moderator Marcus Richter noch anwesend war und mir sehr freundlich alles erklärt hat, war ich gestern im RIAS-Gebäude alleine. Alle anderen saßen in Köln. Ich wurde in ein Zimmer gesteckt, in dem Kopfhörer lagen und diese Mikrophone, die mich an die 20er Jahre erinnern und im anderen Zimmer schaute ein Techniker ratlos auf Knöpfe und erklärte mir rein gar nichts. Macht aber nichts, denn im Wesentlichen war es eine Telefonkonferenz und diese Art der Kommunikation ist mir bereits bekannt.

Jedenfalls hat es wieder Spaß gemacht und ich bin voller Bewunderung für all jene, die in Interviews nicht ständig äh sagen und auf spontane Fragen vollständige und vernünftige Sätze von sich geben. Kann man das einfach oder lernt man das?

Mehrere Aspekte sind mir geblieben:

1) Ich finde es schade, dass Nina Pagalies nicht viel stärker rausgestellt hat, dass gerade Lyrik für Kinder ein wunderbares Feld ist. Bzw. natürlich hat sie sich stark dafür gemacht, aber sie hätte deutlicher raus stellen können, dass Lyrik und Kinder eben keine exotische sondern eine sehr geeignete Kombination ist. Bei unseren Kindern mache ich die Erfahrung, dass sie unfassbar viele Gedichte und Lieder auswendig können – v.a. bevor sie schreiben können. Es muss ja nicht immer Goethe sein. Peter Fox ist auch Lyrik und begeistert Kinder ohne Ende. Auch wenn es seltsam ist, Vierjährige singen:

Halb Sechs, meine Augen brenn,
Tret auf n‘ Typen der zwischen toten Tauben pennt
Hysterische Bräute keifen und haben Panik,
denn an der Ecke gibt es Stress zwischen Tarek und Sam:
Tarek sagt „Halt’s Maul,
oder ich werd dir ins Gesicht schlagen!“
Sam hat die Hosen voll, aber kann auch nicht nichts sagen –
Die rote Suppe tropft auf den Asphalt

(Peter Fox, Schwarz zu Blau, Stadtaffe)

2) Auch fand ich das Thema Kinder und Netz sehr interessant. Diese Idee alles zu filtern und nur bestimmte Inhalte zugänglich zu machen, ist vielleicht ein guter Einstieg. Ab einem gewissen Alter, schützt man seine Kinder auf diese Art jedoch vor gar nichts mehr. Da geht es dann tatsächlich um Verständnis und Vertrauen schaffen. Vertrauen, dass die Kinder eben bestimmte Inhalte nicht (oder nicht zu viel konsumieren). Irgendwie finde ich es seltsam Kinder in so eine künstliche Blase zu setzen und sie nicht wirklich fit für einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Netz zu machen.

Ich stelle mir immer vor, dass das wie damals mit dem Fernsehen ist. Da gab es drei Sender und feste Kindersendungensendezeiten. Ich durfte Wickie, Heidi und Captain Future sehen und fertig (OMG! Ich bin ausschließlich mit Animes groß geworden!!!) Damit haben meine Eltern meinen Fernsehkonsum inhaltlich wie zeitlich reguliert. (Als Analogie zum gefilterten Netz) Andere Kinder, bei denen ich zu Besuch war, durften entweder anderes anschauen oder aber sie taten es in Abwesenheit der Eltern einfach. Natürlich habe ich aus Neugierde und Gruppendrang auch Verbotenes gesehen (Teufelswerk Videorekorder!). Allerdings war ich wirklich zart besaitet. Mit neun habe ich Gremlins gesehen und wochenlang Nachts furchtbare Angst gehabt. Allerdings konnte ich nicht zu meinen Eltern, weil ich ihnen ja nicht sagen konnte woher meine Ängste kommen. Solche Situationen möchte ich meinen Kindern ersparen und ansonsten hoffe ich, dass sie sich vernünftig selbst regulieren. Ich habe nämlich sonst immer alleine den Fernseher aus gestellt, wenn etwas für mich Gruseliges kam. Irgendwie haben es meine Eltern geschafft mir gute Antennen zu verleihen, so dass ich einschätzen lernte, was für mich geeignet ist und was nicht.

Deswegen hoffe ich, dass wir unsere Kinder vernünftig an das Netz heran führen. Sie lernen damit für die Schule zu arbeiten und Informationen zu recherchieren, die sie interessant finden. Auch sollen sie lernen, dass Informationen gegengecheckt werden. Nicht alles, was in der Zeitung oder in der Wikipedia steht, ist richtig. Über Wikipedia und Co. hinaus lernen wir gemeinsam Seiten kennen, welche die Form von Unterhaltung bieten, die sie sich wünschen. Das Thema soziale Netze spielt aufgrund des Alters noch keine Rolle. Was den Konsum angeht, finde ich es am Anfang sinnvoll Kinder an einen Wohnzimmer-Rechner zu setzen und ihnen nicht gleich einen Computer im eigenen Zimmer zur Verfügung zu stellen und dann leider auch – sich als Erwachsener mäßigen (z.B. Handy beim Essen aus stellen).

Mich interessiert trotzdem: Wie geht ihr mit dem Thema Internet und Kinder um? Einen Eintrag dazu habe ich bei Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach gefunden.

3) Der Titel der Sendung lautete „Mama-Blogs und Papi-Foren“. Irgendwann kam die Frage nach den Männern bzw. Vätern. Es gäbe ja so viele Mama-Blogs und so wenig Papa-Blogs. Habt ihr auch den Eindruck? Ich nicht. Mir fallen spontan ein:

Herzdamengeschichten
How To Be A Dad
Made by Joel
Die Olsenban.de
Grindblog mit zugehörigem Twitteraccount

Wobei natürlich einige der Links keine Papa-Blogs in dem Sinne sind, dass sie sich nur mit dem Vatersein und dem Kinderhaben beschäftigen. Aber dann hätten sie mich nicht einladen dürfen. Ich empfinde mich überhaupt nicht als Mama-Blog. Ich schreibe über alles was mich interessiert und da meine Kinder im Moment einen großen Teil meines Lebens einnehmen und auch dankbare Geschichtenprodzenten sind, ist hier im Moment viel über Kinder zu lesen. Die meist gelesenen Artikel im letzten Jahr waren aber:

FDP Wahlplakate
Internetabhängig. Ich so – aus Gründen
Über die Psychologie von Katzenpostings
Gastarbeiter und Döner-Morde

Unverändert seit 1982

Wer wirklich mal einen Blick in die Grundschulzeugnisse wirft, wird feststellen, dass man in seiner Vorstellung irgendwie die schulische Vergangenheit idealisiert hat.

Wenn elterliche Vorstellungen und kindliche Schulleistungen aufeinander prallen, hilft es meist, die eigenen Zeugnisse hervorzukramen. Über mein Zeugnis der 1. Klasse musste ich heute schmunzeln. Irgendwie erkennt man schon den Hang zum Bloggen.

Wie war das bei Euch so?

Chantalismus1337

Das Kind Tschackeline-Schaiänn zu nennen, geht ja gar nicht…

Kevinismus war gestern, heute ist Chantalismus und morgen ist Chantalismus1337 [1]

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—-

[1] Begriff Chantalismus1337 @Treverix

Einhornmoden

Wie Einhörner den Familienalltag bereichern – oder auch nicht.

Es ist so: Hat man keine Kinder, gehen bestimmte Themen an einem völlig vorbei. Mit ziemlicher Sicherheit werden im Leben eines Ü30-Jährigen nur in den aller seltensten Fällen Einhörner eine wesentliche Rolle spielen. Anders wenn man Kinder hat. Dann gehören Einhörner in allen Varianten als fester Bestandteil zum Alltag.
Warum bestimmte Dinge Kinder so begeistern, lässt sich nur teilweise nachvollziehen. Sucht man nach einer Gemeinsamkeit z.B. zwischen Müllmännern, Piraten und Einhörnern, merkt man schnell, dass man sich in einer erklärungstechnischen Einbahnstraße befindet.

Selbst eine intensive Recherche zum Thema Einhorn liefert nur mäßig erleuchtende Einsichten.
Das Einhorn, das erst in der neueren Vergangenheit einem Pferd mit Horn auf der Stirn ähnelt, war ursprünglich ziegenhafter.  Denn kaum war das Hanfband erfunden, setzte sich die Ansicht durch, dass Ziegen besonders hübsch seien und Glück brächten, wenn sie nur ein einziges Horn besäßen. Kurzerhand band man den noch jungen Zicklein die vergleichsweise zarten Hörner zusammen und wartete darauf, dass sie in der Adoleszenzphase der Ziege zu einem einzigen Horn zusammen wuchsen. Das war noch deutlich vor dem Mittelalter. Wer sich mittelalterliche Kunst zu Gemüte geführt hat, dem wird gewahr sein, dass mangels perspektivischer Expertise die meisten Zeichnungen aus heutiger Sicht in Sachen Genauigkeit und Schönheit doch eher zu wünschen übrig lassen. Die zunehmende Verpferdung der Glückszickleindarstellungen sind demzufolge auf ein zeichnerisches Unvermögen zurückzuführen.

Ähnliche Entwicklungen gab es außerhalb des europäischen Raums durch fehlsichtige Entdecker wie Marco Polo, die das erste Mal auf Sumatra ein Nashorn sahen und ihre Erinnerungen zeichnerisch fehlerhaft festhielten und ihre Darstellung eher an ihnen bekannte Tiere wie dem Pferd anlehnten. Folglich ging dem Unicornus das ziegen- bzw. nashornhafte im Laufe der Zeit verloren und es wurde immer pferdeartiger.

Praktisch, denn dem Pferd sagte man ohnehin viele edle Eigenschaften nach – was sich außerordentlich gut mit dem Glauben vereinigen ließ, dass die Hörner der Einhörner über magische Fähigkeiten verfügten, Krankheiten heilen und sogar Tote zum Leben wiedererwecken könnten.

Durch den Fund vereinzelten Narwalhörner (, die eigentlich Zähne sind), die gerne von diversen Herrschern als Herrscherinsignien verwendet wurden, festigte sich der Glauben an Einhörner und deren magischen Fähigkeiten sich zunehmends.

Einhörner wurden mehr und mehr Symbol für das genuin Gute und kraftvoll Magische. Diese Symbolkraft scheint Einhörner für Kinder so anziehend zu machen.

Die Spielzeugindustrie hat das schnell erkannt und wirft Einhörner in pastellfarbenen Variationen auf den Markt. Wem Fillys oder die Schleich Elfenwelt ein Begriff sind, der weiß wovon ich spreche.

Natürlich wollte ich sowas nie kaufen. Aber wenn der Nachwuchs einen mit diesen großen, wässrigen Augen ansieht und mit fiepsiger Stimme nach Einhörnern verlangt, da vergißt man leicht seine Vorsätze.

Kaum bröckelt der innerliche Widerstand, mehren sich die Einhörner in den eigenen vier Wänden. Einhörnern in Kinderzimmern neigen jedoch dazu sich schnell zu erkälten, so jedenfalls die Informationen, die mir Kind 2.0 zukommen ließ. Sie brauchen UNBEDINGT Kleidung. Die wochenlange Google Recherche zu dem Thema „Kleidung für Einhörner“ führte jedoch zu keinen Resultaten und so stand das Kind Tag für Tag da und forderte, ich solle was stricken.
Mein handarbeitliches Können ist dermaßen limitiert, dass ich sehr froh war, während eines Besuchs in einem schwedischen Einrichtungshaus zu entdecken, dass dort standardmäßig Einhornkleidung angeboten wird.

Beide Modelle kosten je 99 Cent und verfügen über ein Schweifloch sowie individuell an die Einhorngröße anpassbare Klettverschlüsse.

 

 

 

Und wem es tröstlich ist, schon große Lyriker wie Rainer Maria Rilke haben sich mit Einhörnern beschäftigt und in diesem Fall wird klar, dass der Unterschied zwischen fillyartigem Kitsch und hoher Dichterkunst nur maginal ist:

Das Einhorn

Der Heilige hob das Haupt, und das Gebet
fiel wie ein Helm zurück von seinem Haupte:
denn lautlos nahte sich das niegeglaubte,
das weiße Tier, das wie eine geraubte
‚hülflose Hindin‘ mit den Augen fleht.
Der Beine elfenbeinernes Gestell
bewegte sich in leichten Gleichgewichten,
ein weißer Glanz glitt selig durch das Fell,
und auf der Tierstirn, auf der stillen, lichten,
stand wie ein Turm im Mond,das Horn so hell,
und jeder Schritt geschah, es aufzurichten.
Das Maul mit seinem rosagrauen Flaum
war leicht gerafft, so daß ein wenig Weiß
(weißer als alles) von den Zähnen glänzte;
die Nüstern nahmen auf und lechzten leis.
Doch seine Blicke, die kein Ding begrenzte,
warfen sich Bilder in den Raum
und schlossen einen blauen Sagenkreis.

Weihnachtlicher Sittenverfall!!!EINS111!!!

Die Sitten verfallen übrigens nur, wenn ihr NICHT die ganze Amazonwunschliste rauf und runter bestellt.

Jeder kennt die Geschichte von den Reiskörnern, in welcher der indische König Sher Khan den Erfinder des Schachspiels für dessen geniale Erfindung entlohnen wollte. Dieser verlangte ein Reiskorn auf dem ersten Feld, zwei auf dem zweiten, vier auf dem dritten, acht auf dem vierten, sechzehn auf dem fünften Feld und wer in Algebra gut aufgepasst hat, weiß, der König konnte Buddhiram am Ende nicht entlohnen. Es waren 18,446,744,073,709,551,615 Reiskörner. So viel gaben die königlichen Kornspeicher nicht her.

So ähnlich verhält es sich in unserer Familie mit der Anzahl unserer Groß- und Urgroßeltern und sonstigen Verwandten. Wir selbst sind eine Patchworkfamilie. D.h. es gibt uns und die anderen Eltern und da die Großeltern. Auch die Großeltern sind Patchworkfamilien und zum Teil geschieden und wieder neu verheiratet und das teilweise sogar mehrere Male. Unterm Strich ergibt das grob geschätzt zweihundert potentielle Weihnachtsgeschenkeschenker. Weihnachten will sich niemand lumpen lassen und weil es zudem noch Familienstreitigkeiten gibt und man dem verhassten Großonkel zeigen will, dass man sich ordentlich was leisten kann, erhalten die Kinder Jahr für Jahr so viele Geschenke, dass wir uns den Rest des Jahres damit finanzieren, dass wir einen Großteil der Geschenke auf ebay  versteigern darüber nachdenken müssen umzuziehen.

Ein Traum für die Kinder. Zumindest für die älteren. (Die jüngeren erfreuen sich ohnehin Jahr für Jahr v.a. an den Verpackungen und glitzernden Geschenkebändchen.)

Ich muss ehrlich sagen, mir macht diese Megageschenkerei zu schaffen. Tag für Tag denke ich daran, weil ich am Arbeitsweg an den Mediamarkt Plakaten vorbei gehe, die mit dem Spruch „Weihnachten wird unterm Baum entschieden“ werben. Auf verschiedenen Plakaten sieht man Menschen die irgendwelche teuren technischen Geräte in die Luft halten und extatisch vor Glück schreien.

Direkt proportional mit meinem innerlichen Gruseln der Werbebotschaft gegenüber steigt in mir der Wunsch Weihnachten mit den Kindern vom Konsumterrorszenario wieder zum althergebrachten Fest der Liebe werden zu lassen, v.a. weil ich einen zunehmenden Werteverfall befürchte.

Wie sollen die Kinder IRGENDETWAS JEMALS schätzen, wenn sie doch alles immer und in allen Ausführungen besitzen? Wie sollen sie verstehen, dass sie ein außerordentliches Privileg genießen und es dem allergrößten Teil der Menschheit ganz und gar nicht so geht?

Ich konnte kaum schlafen vor Sorge. Glücklicherweise sind mir in der Zwischenzeit die Thesen von Ronald Inglehart zum Postmaterialismus begegnet. Sehr verkürzt behauptet dieser, dass ein totaler Überfluss von materiellen Gütern in der individuellen Entwicklung des Menschen zu einer postmaterialistischen Einstellung führt, die kontinuierlich nach höheren – immateriellen (!) Werten wie Gesundheit, Freiheit, Glück, Kultur, Bildung, Tier- oder der Umweltschutz strebt. Die Menschen, die in ihrer Kindheit also nie irgendeinen Mangel erfahren mussten, werden folglich später mutterteresaesk.

Fälschlicherweise haben wir Eltern die letzten Jahre unseren Kindern gar nichts mehr zusätzlich gekauft! Das soll dieses Jahr anders werden. Mir ist es sehr wichtig, dass die Kinder nach diesen höheren Werten streben und fortan alles dafür tun ihre kulturellen, sozialen und intellektuellen Bedürfnisse zu befriedigen (1). Ich will ein Heer von (Netz)Aktivisten, Umweltschützern, ehrenamtlichen Helfern und Orang-Utan-Schützern!!!

Und wenn ihr mich in irgendeinem Konsumtempel seht, packt mir wahllos Dinge in meinen Einkaufswagen. Ich bin bereit unsere komplette Altersvorsorge auf den Kopf zu hauen. Fröhliche Weihnachten im Voraus!

Ihhhhh <*beliebiges Gericht einfügen*>!

Ketchup ist euer Gemüse.

Früher wurde gegessen was auf den Tisch kam. Ein echtes Problem für mich. Bis zu meinem 16. Lebensjahr habe ich mich ausschließlich von Nudeln (ohne Soße!), Kartoffeln (ohne Soße!) und Fleisch (ohne Soße!) ernährt. Während meines Studiums stellte ich meine Diät auf  Dominosteine und Dosenmais um. Figurtechnisch hatte das durchaus Vorteile. Doch wie so oft, der Volksmund hat Recht und mit zunehmenden Alter spielt Essen eine immer größere Rolle.

Da meine italienische Familie meine Qualitäten als Ehefrau vom Körpergewicht meines Mannes abliest, bin ich stets sehr bemüht ordentlich zu kochen. Am Besten drei Mal am Tag. Mein Mann ist sehr angetan von meinen Kochkünsten und in den letzten sieben Jahren hat er sogar zwei Mal gesagt: Hmmm und drei Mal Nachschlag gefordert. Er wiegt soviel wie ich minus Kind 3.0.

Essen war in unserer Familie am Anfang kein Thema. Kind 1.0 und trank die ersten fünf Lebensjahre eigentlich ALLES. Dann setzte eine Transformation ein. Es aß z.B. Paprika aber nur roh und da auch nur die roten Schoten. Weitere zehn Tage später aß es keine Paprika aber leidenschaftlich Stangensellerie aber nur wenn ich dazu Quark darreichte. Dann aber kein Gemüse mehr und überhaupt, so lautete der Vorwurf, es hätte diesen ******* noch nie gegessen.

Kind 2.0 wurde geboren und ernährte sich nach der Muttermilch ausschließlich von Mango und Süßkartoffeln. Eine harte Probe für mich als Obstphobikerin.

Dann wurde das dritte Kind geboren und das trank einfach weiter Muttermilch bis es einigermaßen vernünftig sprechen konnte und schrie von nun an „F L E I S C H!“ (Es schreit ja nur, es spricht ja nie, das arme Ding)

Was das Thema gesunde und ausgewogene Ernährung angeht, habe ich alle Bemühungen aufgegeben. Wir kochen was wir wollen und die Kinder schreien: „IHHHHHH!“ oder – sofern sie gnädig sind „KETCHUP!!!“.

In irgendeinem Kinderbuch eines namenhaften Autors habe ich eine erlösende Erklärung für dieses Verhalten gelesen. Aus meiner Erinnerung lauten die Erklärungen wie folgt. Erstens: Breinahrung mögen die meisten nicht, weil sie viel zu früh verfüttert wird, meistens ist noch der Reflex aktiv, der Babys davon abhält Kleinteile zu verschlucken. Außerdem ist es nicht klug Dinge zu essen, die nicht eindeutig zu erkennen sind. Es besteht die evolutionsbiologisch verwurzelte Gefahr des Vergiftetwerden. Außerdem enthält Nahrung unterschiedliche Antigene. Es ist für das kindliche Immunsystem sinnvoll nur geringe und nicht zu breit gefächerte Mengen von Antigenen aufzunehmen.

Dementsprechend ist es total sinnvoll nur zwei bis drei unterschiedliche Sachen zu essen. Und Ketchup ist doch irgendwie auch Gemüse.

Zukunftsprognosen

Musikalität soll man fördern und Vorurteile abbauen.

WARNUNG KLICKEN SIE NICHT AUF DEN VIDEOLINK WENN SIE IM BÜRO SITZEN

Jedes unserer Kinder hat so seine Eigenarten. Es bleibt der Phantasie überlassen, sich deren Zukunft auszumalen. Bei Kind 3.0 habe ich ein klares Bild. Seine ersten Worte waren „L A U T“ und „TA TÜ TATA!!!111!!!

Dementsprechend wird es sein Geld wohl als Shouter verdienen:


(Fast so anmutig wie Star-Schwärme, oder)

Recherchen zufolge ist es durchaus möglich als Sänger einer Metal-Musikkapelle ein geregeltes Einkommen zu erwirtschaften. Schwer stelle ich mir nur vor, wenn Kind 3.0 gerne möchte, dass ich es bei seinen Auftritten begleite. Auch erschließt sich mir nach Konsum diverser Metal-Videos nicht in welchem Takt ich mitklatschen könnte.

Aufhalten kann ich diese Karriere ohnehin nicht mehr. Am Wochenende am Flohmarkt entdeckte das Kind ein Kinderschlagzeug. Das Schlagzeug stand einfach nur rum, aber Kind 3.0 ahnte sofort dessen Einsatzzweck. Klugerweise hatte die Verkäuferin auch keine Holzklöppelchen zur Verfügung gestellt. Dennoch wusste unser Jüngstes Bescheid. Es riss sich von meiner Hand und sprang in das Schlagzeug. Dann trommelte es auf die verschiedenen Membranophone und lobpreiste: „LAUT MAMAAAA LAAAAUUUuuuuTTT!!“. Ich wollte es weg ziehen, aber es umklammerte mit Armen und Beinen das ganze Gerät und schlug mit dem Kopf auf die Becken ein.

Vermutlich, sah auch Kind 3.0 für einen Moment ein klares Bild seiner Karriere. Für das Lungenvolumen wirkt sich die oben vorgestellte Art zu musizieren vermutlich positiv aus. Nebenberuflich könnte Kind 3.0 deshalb Rekorde im Apnoetauchen aufstellen und Mutti die ein oder andere Perle vom Meeresgrund hoch holen. Gar nicht so schlecht. Da bereue ich es fast, dieses Schlagzeug nicht gekauft zu haben. NICHT.