The Haus

The Haus
H – wie The Haus

Am Sonntag bin ich mal wieder einem meiner Lieblingshobbys nachgegangen: dem Schlangestehen

Vier Stunden stand ich damals für die MoMa Ausstellung (und hatte Glück – denn nie wieder war die Wartezeit so kurz während der gesamten Ausstellungsdauer!), fast eine Stunde für den Photography Playground, anderthalb Stunden für Frida Kahlo, eine Stunde für Olafur Eliasson.

Wie dem auch sei: es hat sich jedes Mal gelohnt – so auch für THE HAUS.

Was ist THE HAUS* überhaupt? Laut Beschreibung der Homepage:

THE HAUS ist die fresheste* Urban Art Galerie – ever! Auf dich warten 108 überkrasse Kunsträume zum Anschauen, Fühlen, Erleben und Erinnern. Alles geschaffen von 165 Künstlern aus Berlin und der ganzen Welt. Doch sei dir bewusst, dass THE HAUS geschaffen wurde, um zerstört zu werden – Ende Mai schließt THE HAUS seine Pforten und die Abrissbirne folgt!

Also: Es handelt sich um ein altes Bankgebäude, das im Juni abgerissen werden wird. Bis dahin wurde das Gebäude 165 Künstlerinnen und Künstlern überlassen, die dort 108 Räume auf fünf Etagen gestaltet haben.

Wo? Nürnberger Str. 68 (quasi gegenüber des Aquariums)

Wann? Jetzt bis 31. Mai, Dienstag bis Sonntag 10 bis 20 Uhr

Wir standen so ein Stündchen, aber das war wirklich sehr OK, denn was man dafür bekommt, sind verhältnismäßig leere Räume, die man dann auch wirklich in Ruhe entdecken kann.

Aus der Frida Kahlo Ausstellung habe ich optisch v.a. Hinterköpfe mitgenommen. Das war im THE HAUS gar nicht so. Die 199 Leute, die rein dürfen, verteilen sich gut auf die Räume.

Was mich etwas genervt hat, war das Gebot die Handys in Tüten zu packen. Ich finde ja, man kann erwachsenen Menschen auch einfach sagen: „Leute, Handy bitte in die Tasche.“

The Haus
Handyverbot für die Gäste

In allen Reportagen zu THE HAUS und auch dort in der Schlange gabs immer einen kulturpessimistischen Vortrag darüber, dass Handys nerven, dass sie den Kunstgenuss kaputt machen, dass niemand mehr hinschaut, dass alle nur knipsen und dann weiterziehen.

Finde ich argumentativ total albern. Selbst wenn: Was geht das eine andere Person an, wie ich Kunst verdaue?

(Tatsächlich drucke ich immer einige Fotos aus und klebe sie in unser Familientagebuch, wo wir festhalten, wem welches Kunstwerk von wem warum am besten gefallen hat. Ich google dann die Künstlerinnen und Künstler, folge ihren Seiten oder instagram-Streams und habe dann zukünftig auf dem Schirm, wo sie wieder ausstellen.)

Was ich verstehen könnte, wäre ein Argument derart, dass fotografiert und verbreitet wird, ohne dass die Künstlerinnen und Künstler Anerkennung dafür bekommen oder dass sie auf dem Foto oft nicht genannt werden. Damit bringt es ihnen ja nichts, wenn tausende von Menschen ihre Werke liken und teilen.

Ich finde aber, sowas kann man auch anders lösen. Twittername oder Facebookseite z.B. an die Räume, Schilder mit Hashtags, die man verwenden kann etc.

Die Ausstellung selbst (keine Fotos, ihr müsst selbst hingehen, das Buch zur Ausstellung, das ich sehr gerne gekauft hätte, war schon 8 Stunden nach Ausstellungseröffnung ausverkauft und kann auch nur vor Ort und nicht im Internet gekauft werden…) war wirklich sehr sehenswert.

Ein Großteil Graffiti, viel Kunst mit Klebebändern, Gips, ein Raum, der mich an den Nebelraum von Olafur Eliasson erinnert hat, Bäume, Moos, Laub und mein persönliches Highlight – eine Art Höhle mit leuchtenden Blüten und flirrenden Kiefernadeln.

Ich hab leider ein sehr schlechtes Gedächtnis und konnte mir wegen des Fotoverbots auch nicht die Namen der Künstlerinnen und Künstler „notieren“, sonst hätte ich die hier gerne verlinkt. Nach über 100 Räumen, kann ich leider auch nicht über die Homepage rekonstruieren wer wo ausgestellt hat.

Sehr schön auch die Filme, die dort gezeigt wurden. U.a. über Ad-Busting. Ad-Busting war mir bislang unbekannt und ich musste wirklich laut lachen als ich das Schredderprojekt von Farewell gesehen habe, der an diese Werbekästen, die Werbeplakate rauf- und runterfahren, einfach Cutter anbaut und sie so zu großen Schreddermaschinen umfunktioniert.

Die ganze Serie „Urban Explorers“ auf ARTE Creative kann ich sehr empfehlen!

Ein bisschen metalustig fand ich auch dem Umstand, dass bei einigen Künstlern, die ihre Kunst v.a. im öffentlichen Raum auf Züge und Gebäude sprühen, stand: Please respect the artwork

Ach, ich klinge jetzt ein wenig übellaunig wie Luise Koschinsky… dabei ist die Ausstellung wirklich absolut großartig. Geht hin.

Man kann sogar in Kunst pullern! (Die Toiletten sind auch komplett umgestaltet, aber offiziell benutzbar – was ein bisschen lustig ist, wenn man wirklich pullern muss und sich an den Kunstinteressierten vorbei quetscht und zu verstehen geben muss, dass man jetzt wirklich mal Pipi müsste)

Ich hab auch gesehen, dass Schwangere, Menschen mit Kleinkindern und sehr alte Leute netterweise aus der Schlange gezogen und vorgelassen werden.

Der Eintritt ist frei und somit ist der Kunstgenuss nicht abhängig davon, ob man sich sowas leisten kann oder nicht. Extraliebe dafür!

(Und alle, die es sich leisten können – am Ende der Ausstellung kann man spenden – was man auch tun sollte – denn Kunst kostet Material und Arbeitszeit).

Einen guten Eindruck zu den Räumen bekommt man übrigens hier im Lunatix Dance Project Video.

Ansonsten:

 


 

*Bitte immer ganz hip aussprechen, ja? [Sii Haus!] [frräscheste Örban Art!]

This is us

Ich gebe zu dass ich seriensüchtig bin. Ich habe mal versucht mitzuschreiben, was ich so alles schaue, aber nach ca. 4 Wochen war mir das zu anstrengend.

(Seit Januar z.B. Travelers, Please Like Me, Good Girls Revolt, Fleabag, Awake, Iron Fist, You are wanted, Broadchurch 3. Staffel, Lovesick…)

Ausserdem gruselt mich die Vorstellung, dass ich dann eine Statistik erstellen kann, die mir sagt: Sie haben fünf Schrillionen Stunden ihres Lebens vor ihrem Rechner mit Serien verbracht.

Wie wird das vor meinen Enkeln klingen? „Eure Oma hat 28.000 Stunden Serien geschaut.“ Gehaltvoller klänge es natürlich, wenn ich sagen könnte: „Ich habe 3.840 Bücher gelesen.“

Aber sei es drum. Ich kann später ja auch noch lügen.

Ich schaue also Serien. Mittelgute zur Entspannung (Travelers, Designated Survicor, Touch), gute mit Freude (Broadchurch, River, The Killing, Orange is the new Black, The Americans), wunderbare mit gespanntem, aufrechten Rücken (The Good Wife, Top of the Lake, Goliath, Black Mirror) und dann noch großartige wie Please like me, Fleabag oder aktuell This is us.

Ich habe vor einiger Zeit bei Felix von This is us gelesen und angefangen die Serie zu schauen. Seitdem schaue ich jeden Tag zwei, drei Folgen und meistens muss ich irgendwann Rotz und Wasser heulen.

This is us ist eine Familiengeschichte. Sie startet irgendwann in den 70ern mit einem Paar, das Drillinge erwartet. Bei der Geburt stirbt eines der Kinder, zeitgleich wird ein ausgesetztes Kind im Krankenhaus abgegeben. Die Familie nimmt dieses Kind auf.

Ab da begleitet man die fünf über die verschiedenen Zeitebenen hinweg.

Soweit so unspektakulär erstmal. Die Großartigkeit der Serie liegt in den Details. Ich habe ungelogen noch nie eine Serie (oder einen Film) gesehen, in der das Zwischenmenschliche so fein beobachtet ist und dabei so gnadenlos „echt“ dargestellt wird. Die Dialoge sind so warmherzig, „so menschlich, so herzerweichend […] — und das alles auch noch ohne pathos und holzhammer, sondern ganz subtil und sanft.“

Die Menschen scheitern ohne Happy End, sie treffen unwiderrufbare Entscheidungen,  sie tun einander weh, sie finden auf quälende Fragen keine Antworten. Dem gegenüber steht all die Liebe, das Glück eines Moments, die Wärme, das Dazulernen, das Andersmachen, das immer wieder Neuanfangen.

Ich weiß nicht genau, wie ich es beschreiben soll. Die Serie berührt mich so sehr, weil sie darauf verzichtet Folge für Folge hundertfach gesehenen hollywoodähnlichen Relief zu verschaffen. Es gibt da zum Beispiel zwei Brüder, die einfach nicht zusammen kommen. Sie wollen das vielleicht beide im Herzen (der eine mehr, der andere weniger), aber sie schaffen es nicht. Der eine, weil er sich so sehr zurückgesetzt fühlt und der andere, weil er einfach stehen gelassen wird, egal wie viele Annäherungs- und Versöhnungsversuche er startet. Sie haben Momente der Nähe aber es gibt nie den großen Clash und dann ist alles für immer gut.

Oder die übergewichtige Schwester, die egal wie sie sich anstrengt an sich selbst scheitert, die schon lange verstanden hat, dass sie selbst der Hebel ist, dass es um Selbstliebe geht und bei der es trotzdem nicht einfach „Klick“ macht und alles wird gut. Nicht mal als sie jemanden findet, der sie, genauso wie sie es sich immer gewünscht hat, von ganzen Herzen liebt.

Der Trailer ist leider sehr cheesy und gibt eigentlich die Tiefe der Serie überhaupt nicht wieder.

Die Serie läuft auf NBC. Im Mai kommt This is us auf Pro Sieben.

P.S. Wer gerne Podcasts hört, dem wird vielleicht auf YouTube auch das Aftershow Format zur jeweiligen Sendung gefallen.

Lieblingstweets von äh irgendwann

ControllerInnen kennen das. Monatlich ist ein Bericht zu erstellen, doch dann vergisst man ihn einmal … und niemandem fällt es auf. Nicht so bei den Lieblingstweets (oder wie andere sie liebevoll nennen: Der unverständliche Scheiß in deinem Blog). Deswegen heute creohn gewidmet:

12von12 im März

#1 Wochenende! In den letzten Wochen klappt es immer besser, dass die Kinder morgens alleine aufstehen, sich Müsli machen, ich in die Küche schleiche, mir einen Kaffee mache und dann im Bett bis ca. 9 Uhr lese.

#2 Danach gibt es ein gemeinsames Zweitfrühstück. Ich habe mir dafür extra einen Käse gekauft, den ich als Studentin total gerne gegessen habe, den ich mir aber fast nie leisten konnte. Er schmeckt leider sehr langweilig.

Anderer Leute instagram-Fotos haben mich außerdem so weit, dass ich keine Paraffinkerzen mehr mag. Also erst mochte ich ja nicht mal Kerzen und jetzt hätte ich gerne echtes Wachs. Man versnobt halt zunehmend im Alter.

#3 Nach dem Frühstück folgen die üblichen Rituale: Schulsachen durchgehen, ggf. Hausaufgaben machen, Kinder baden und dann mache ich mich gemeinsam mit Kind 3.0 auf zur Galerie Baku, wo heute ein Malworkshop für Kinder angeboten wird.

Kind 3.0 liebt malen. Zum Geburtstag waren wir in einer anderen Galerie, da war der Workshop doch etwas seltsam. Die anleitende Dame hat den Kindern keinen Spielraum gelassen und so Dinge gesagt wie: „Es wäre doch toll, wenn du das jetzt lila malst und dann auch ein bisschen schöner, oder? Deine Eltern wollen doch stolz auf dich sein!“

Ich musste Kind 3.0 deswegen etwas überreden. Einer der Künstlerinnen, Karin Lubenau (Mit ohne Rosa!), die den Workshop ausgerichtet haben, folge ich auf instagram. Ich habe Kind 3.0 gezeigt, dass sie pupsende Katzen malt. Das war Argument genug.

#4 Ich gebe Kind 3.0 also in der Galerie ab und suche ein Café, wo ich einen Kaffee trinken und „Untenrum frei“ von Margarete Stokowski lesen kann. Das Buch wurde mir mehrfach empfohlen und es ist wirklich sehr fluffig geschrieben. Dass die Inhalte wichtig sind, steht ja außer Frage.

Rechts und links neben mir sitzen Paare, die sich wohl gerade erst kennengelernt haben. Die rechts von mir werden glücklich werden miteinander. Die links von mir nicht. Er zeigt ihr faszinierende Fotos von Supertankern, die sie nur mäßig interessiert betrachtet.

#5 Ich hole Kind 3.0 wieder ab. Es hat entsprechend des Stils der Ausstellung Wale gemalt. „Wie war’s?“, frage ich. „Note 1 minus“, sagt das Kind. „Warum minus?“ „Es war zu kurz. Ich wollte die Bilder in der Ausstellung länger anschauen und von meinen Augen in den Kopf laufen lassen.“
„Verstehe. Und was hat dir besonders gefallen?“
„Alles andere.“

#6 Wir brechen Richtung Zuhause auf und entdecken eine Grünformation, die uns an eines unserer Lieblingsvorlesebücher „Das grüne Schiff“ erinnert. Toll!

#7 Die Sonne scheint. Das ist schon sehr schön. Kind 3.0 hopst ausgelassen vor mir her.

#8 Kurz vor unserem Haus, treffen wir auf unseren Nachmittagsbesuch. Ich hab lange mit mir gerungen, ob ich selbst backe, aber es hat mal wieder die Faulheit bzw. der Unwille für Zusatzstress gewonnen. Es gibt Mini-Berliner. (Ich werde niemals nicht Pfannkuchen sagen, denn eigentlich heissen die Dinger ja Krapfen!)

Beim Kaffee trinken erzählt uns Kind 2.0 von einer Dame, die sieben Kinder hat. Sechs Mädchen und einen Jungen. Es sind sechs Mädchen geworden, weil sie einen Jungen haben wollte. Man stelle sich vor eines dieser Mädchen zu sein. Kind 2.0 sagt: „Die Mädchen haben sich ein Zimmer geteilt, der Junge hatte ein eigenes.“ Ich habe das exakt so (bezogen auf eine andere Familie) gerade in „Untenrum frei“ gelesen und bin wieder einmal fassungslos.

#9 Unsere Ernährung heute lässt zu wünschen übrig, jaja. Aber ich hab gerade erst einen neuen Sandwichmaker gekauft, der ausprobiert werden muss. Es gibt Quetschtoast mit Chemiekäse. (Nächstes Mal schreibe ich mit „veganem Käse“, das klingt gesünder)

#10 Eigentlich ist Quetschtoast immer eine riesige Sauerei, weil der Käse grundsätzlich ausläuft und sich in die Ritzen und Schrauben des Geräts klebt. Ich gebe euch deswegen einen Top-Haushaltstipp:

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Einfach Backpapier ums Toast und dann erst quetschen!

#11 Nach dem Essen lesen. Die Kinder haben mit der verpönten Silbenmethode lesen gelernt. Die kleinen Bücher, die mir Kind 3.0 abends vorliest, sind sehr zu empfehlen.

Die Bücher sind nach Lesestufen geordnet, die ersten zehn haben nur einen Zweiwortsatz pro Seite. Die nächste Stufe hat schon etwas komplexere Sätze. UND! Sie gefallen mir inhaltlich sehr gut. Zum Beispiel „Was ich werden kann„. Da sieht man auf einer Seite immer ein Kind mit einem Interesse und auf der anderen Seite einen passenden Beruf. Wunderbar gleichverteilt auf die Geschlechter und total klischeefrei. Mädchen können z.B. Wissenschaftlerin werden. Und Jungs, die gerne anderen helfen – Lehrer.

#12 Nach dem Lesen (erst bekomme ich vorgelsen und dann soll ich aus der Arschbombe vorlesen) wird noch gekuschelt. Die Kinder wollen dazu immer gewärmte Kirschkernkissen. Gute Nacht!

Mehr 12 von 12 bei Draußen nur Kännchen, die hat’s nämlich erfunden!

Frauenkampftag, delayed

@adjomargonzalez Pixabay

8. März, Internationaler Frauentag

Das erste Mal ist er mir 2001 begegnet. Ich arbeite in einem Unternehmen, das viele MitarbeiterInnen hat, die aus Ost-Berlin kommen. Mir wird eine Rose überreicht und die Hand geschüttelt.

Crazy.

2001 finde ich es süß einfach so eine Rose zu bekommen. Wie aufmerksam!

Fünfzehn Jahre später: aus einem mir unbekannten Gedenktag ist der Frauenkampftag geworden.

An der U-Bahn-Haltestelle verteilen Menschen eine farblich passenden Partei rote Rosen an Passantinnen. Die meisten springen erschreckt beiseite. „Alles Gute zum Frauentag! Ich habe hier eine Rose für sie!“

V.a. die jüngeren Frauen machen einen großen Bogen um die Rosen. Mein 2001er-Ich wäre auch kopfschüttelnd weitergelaufen.

Ich hatte es gut da. Keine Probleme. Ich war ungebunden, qualifiziert und eigentlich habe ich nichts anderes gemacht als von morgens bis spät abends zu arbeiten. Nie wäre ich auf die Idee gekommen vor 17 Uhr nach Hause zu gehen. Meetings, die um 16 Uhr starten? Was ist das Problem?

Dass mein Kollege mehr Geld für die gleiche Arbeit bekommt, war mir nicht klar. Dass meine Vorgesetzten, dass eigentlich fast ALLE Vorgesetzten des Unternehmens männlich waren: normal

Ich habe auf mein Gewicht geachtet, regelmäßig Diäten gemacht und fand Frauen, die ihre Beine nicht täglich rasieren furchtbar (hatten die überhaupt noch Sex??)! Ich hab sogar Germanys Next Top Model geschaut.

Mehr als ein Jahrzehnt, ein paar Kinder und eine gescheiterte Ehe später, habe ich meine Sicht auf die Dinge geändert.

Feministin. Einundvierzig Jahre musste ich werden, um das Wort Feministin nicht mehr leicht schamhaft auszusprechen.

Ich lese gerade ein Buch (Sungs Laden), in dem steht, in einem völlig anderen Kontext sinngemäß:

„Das Leben forderte nicht mehr viel, vielleicht war es jetzt an der Zeit dem Leben etwas abzufordern.“

Daran musste ich denken. Vielleicht kann man sich als etwas über 20jährige kaum leisten, etwas zu fordern. Neu im Job, kaum Berufserfahrung, geringes Einkommen. Vielleicht ist das viel riskanter etwas zu fordern als es das mit 40 ist.

Mittlerweile wünsche ich mir, dass alle Feministin sind – auch die Männer. Ich sehe sie als Verbündete. Einem Mann kann doch auch nichts daran liegen eine völlig erschöpfte Frau an seiner Seite zu haben, seine Kinder nicht versorgen zu können, ja ich glaube sogar, die meisten hätten nicht dagegen, wenn die Kollegin genauso viel verdient und wenn man(n) einfach zur Chefin gehen kann und sagt: „Ich würde gerne 7 Monate Elternzeit machen“ und die Chefin antwortet: „Das freut mich aber. Da müssen wir bald mal über eine Verteilung ihrer Aufgaben sprechen, aber das bekommen wir hin!“

Mir persönlich fällt das Motto des Frauenkampftags #MeinTagohnemich schwer. Streiken sollen die Frauen, sie sollen sich eine Welt ausmalen, in der die Frauen fehlen.

Auf den Seiten des feministischen Netzwerks lese ich:

Erzähl uns deine Geschichte. Deine persönliche Dystopie (oder auch Utopie) vom Tag ohne dich. Was passiert denn eigentlich, wenn du einfach mal 24 Stunden nichts machst? Wer übernimmt die Care-Arbeit, was passiert mit deiner Lohnarbeit und wofür würdest du die Zeit endlich mal nutzen?

Ich verstehe die Idee, aber wenn ich ehrlich bin, in meinem Leben würde derzeit folgendes passieren: nichts

Mein Partner ist nämlich in alle Prozesse eingebunden. Vielleicht würde er einige Dinge anders machen als ich, aber die Kinder kämen mit Pausenbrot pünktlich in die Schule, sie bekämen Abendbrot, Schultasche wäre ausgeräumt, die Zettel bearbeitet, die Termine in den Kalender übertragen, die Hausaufgaben gemacht, die Zähne geputzt, die Einschlafgeschichte vorgelesen.

Irgendwie fühle ich mich schlecht, dass ich bei #MeinTagohnemich nicht mitmachen kann, wenigstens trage ich an diesem Tag als Zeichen meiner Solidarität rot.

Auf dem Weg in die Arbeit schaue ich die anderen Frauen an. Kein Rot, keine Pussy Hats. Ich bin ein bisschen enttäuscht.

Ich bin fest entschlossen mich allerorten als Feministin zu outen. Mir ist klar, dass ich damit einige erschrecken werde, wie ich mich 2002 erschreckt habe, wenn mir zugetragen wurde „Die Anna ist Feministin.“

Huuu! Ohhhh! Feministin!

Am Wort kleben weiterhin Humorlosigkeit und Beinhaare.

Vielleicht hilft das Outing am Ende aber. Vielleicht wissen andere Frauen damit, dass sie auf mich als ihre Verbündete an ihrer Seite zählen können. Ich hoffe es.

Während ich in der Tram sitze, gruselt es mich. Bedeutet #MeinTagohnemich bei vielen Familien immer noch, dass alles still steht? Dass es kein Essen gibt, dass nicht vorgelesen und gekuschelt wird, dass die Kinder die Strumpfhose statt einer Mütze am Kopf tragen?

Was passiert, wenn #MeinTagohnemich auf #MeineWocheohnemich ausgedehnt wird?

Was wenn es #MeinMonatohnemich wird?

Wie gesagt, ich glaube, so richtig viel würde bei mir nicht passieren. Aber schaue ich in Familien meiner Freundinnen oder Bekannten… so ein Ausfall der Frauen hätte doch ganz schöne Auswirkungen. Es gibt noch genug Kommentare der Art: „Haha, mein Mann kann nicht kochen!“ und „Nachts stehe nur ich auf. Mein Mann braucht den Schlaf.“

Deswegen bleibe ich Feministin – denn ich möchte, dass wir irgendwann austauschbar sind (sind wir als geliebte Individuen Mamas und Papas nicht – aber in unseren Verantwortlichkeiten hoffentlich doch). Dass Frau gegen Mann getauscht werden kann, Mann gegen Frau, Frau gegen Frau und Mann gegen Mann.

Alles ist geteilt, das selbe Geld ist im selben Job verdient, der selbe wichtige Vortrag in der Öffentlichkeit gehalten, die Kinder schreien genauso oft MAAAAAmmmaaa! wie sie Paaaaapaaaa! schreien.

Und so lange das nicht für alle erreicht ist, nehme ich gerne die Blume, sage auch wohlerzogen Danke, wünsche mir aber weiterhin: gleiche Chancen, gleiche Bezahlung, gleiche Arbeitsteilung und gleiche Rechte.

und v.a. vergesse nicht die Lebensumstände anderer Frauen und möchte auf den Artikel von Rike Drust verweisen:

Trotzdem bin ich jeden Tag schockiert, wütend, traurig und fassungslos über Videos, Tweets, Posts und Nachrichten von Pussy GrabbernVergewaltigungen (bei denen die Täter, wenn sie weiss sind und gut schwimmen können, mit einem kleinen Dududu davonkommen)Gender Pay oder Gender Care GapsSechsjährigen Mädchen, die schon verinnerlicht haben, dass Jungs angeblich klüger sind.  Von Revenge PornHate Speech. Ich möchte vor Wut meine Faust aufessen, wenn ich lese, mit was für einem Scheiss sich viele alleinerziehende Mütter (und ein paar Väter) herumschlagen müssen, wofür sie sich gerade machen, obwohl sie weder Geld noch Zeit haben und sich dafür noch in der alleruntersten Schublade beleidigen und bedrohen lassen müssen. In die Finger beissen tu ich, wenn ich Eltern höre, die ihren Kindern sagen, sie sollen nicht weinen „wie ein Mädchen“ oder Kinder, die meinem Sohn sagen, dass pink eine Mädchenfarbe ist. Ich könnte ewig so weitermachen. Aber es soll ja nicht ewig so weitergehen.

Aber auch diese Lebensbedingungen und Erfahungen, die nicht in Prozent ausdrückbar schlimmer sind als meine Lebensumstände, lasse ich nicht als Argument gelten für meine Rechte einzustehen übrigens.
Das „Was beschwerst du dich, dir geht es doch gut“-Argument bedeutet Stillstand. Stillstand ist nicht was ich möchte. Aber wie Rike oben sagt:

Es soll ja nicht ewig so weitergehen.

Deswegen: so lange wir die selben Ziele haben, lasst uns Seite an Seite stehen. Egal, ob man sich nun Feministin nennen möchte oder nicht. Egal welchem Feminismus man sich zugehörig findet (z.B. dem 2012er).

Sonja von Mama Notes schreibt so passend:

Es geht nicht um Dich. Es geht um die alle Frauen, die noch nicht so gleichberechtigt leben können, wie Du. Es geht nicht um Deine individuelle Situation, nicht um Deine Filterbubble. Sondern es geht darum, gemeinsam solidarisch zu sein.

Das möchte ich auch und zwar nicht nur am 8. März.

Causa Kelly

Ich hatte es gefühlte zwanzig Mal mit dem Hinweis: „So funny!“ in meiner Timeline. Als ich das Video anschaute, waren meine Erwartungen groß. Statt amüsiert, war ich aber verwundet. Was soll daran lustig sein?

Ein Vater führt ein Skype (?) Interview mit der BBC und im Hintergrund erscheinen seine Kinder. Er schiebt das ältere Kind ohne Hinzusehen weg, das Baby erscheint, einige Sekunden später slidet die Mutter um die Ecke, sammelt hektisch die Kinder ein, das Interview geht weiter.

Lustig fand ichs nicht. Mir fehlte etwas der Galgenhumor (oder wie man das nennt, wenn etwas schief geht und man trotzdem drüber lacht).

Also tweete ich:

Sekunden später bereue ich es aber irgendwie. Eigentlich ist es doch auch eine Botschaft an die Welt, dass mal ein Vater im  Homeoffice sitzt und bei der Arbeit in aller Öffentlichkeit von seinen Kindern gestört wird.

Der Moderator bei BBC nimmt es seinerseits sehr gelassen.

Und während ich eigentlich dafür kämpfe, dass sich Männer auch mehr als Väter sichtbar werden und es somit auch Normalität wird, dass sie als Teil der Familie in Erscheinung treten, meckere ich, dass er sein Kind ohne Hinzusehen weggeschoben hat.

Asche auf mein Haupt.

Schlimmer noch. Weil die erscheinende Frau im Hintergrund so panisch reagiert, nehme ich an, es sei die Kinderfrau, die jetzt um ihren Job bangt.

Dass es tatsächlich die Mutter Jung-a Kim Kelly ist, kommt mir nicht in den Sinn.

Einer Kurzrecherche zu folge handelt es sich aber um die Mutter.

Auch wird mir gesagt, dass die Kinder auf koreanisch sagen: „Was ist denn, Mama?“ (Das koreanische Wort „Mama“ klingt wie [Omma])

Wahrscheinlich hatte ich im Hinterkopf auch das beschämenswerte Vorurteil, dass ein weißer Professor natürlich eine Migrantin als Nanny hat.

Alles sehr haarsträubend, denn es ist schließlich ein in Südkorea lebender Mann.

Also pfui, Frau Cammarata. Pfui.

Ich schaue mir das Video also noch zehn Mal an und plötzlich sehe ich auch ein Lächeln im Gesicht des Korea-Experten und ich stelle mir vor, dass er nicht aufstehen und das Kind auf den Schoß nehmen konnte, weil im Homeoffice hat schließlich niemand Hosen an und in Unterhose auf BBC ist wahrscheinlich doch peinlicher als die Kinder wortlos wegzuschieben.

Nach acht Mal schauen, meine ich, dass die Mutter die Hose nicht ganz oben hat, irgendwas zwischen Pulli und Hose scheint rosa durch. Wahrscheinlich war sie gerade auf Toilette und da haben sich die Kinder auf die Reise zu Papa gemacht.

Alles in allem ganz normaler Familienalltag. Alltag wie ich ihn mir eigentlich in der Öffentlichkeit wünsche. Nicht dieser unrealistische und polierte Werbequatsch. Nicht die Väter im Anzug, die so tun als hätten sie keine Familie. Nicht die Väter, die nie gefragt werden: Ist denn die Kinderbetreuung sicher gestellt? Nicht die Väter, die für ihre Kinder irgendwie fremd sind sondern eben Papa, bei dem man im Homeoffice auch mal rein schauen kann, was da los ist.

Also Professor Kelly, my apologies.

Oder wie Dirk von Gehlen es formuliert hat:

Marion und James Kelly ist heute etwas geglückt, womit sich Parteien und Medien derzeit etwas schwer tun: Sie haben ein Bild geschaffen, mit dem sich eine ganze Generation identifizieren kann.

P.S. Marion ist das Mädchen im gelben Pulli. James das Baby.

Es gibt für alles eine technische Lösung

…oder?

Seit Jahren glaube ich daran, dass sich Familienleben durch die richtigen technischen Anwendungen besser organisieren lässt.

Hintergrund der Idee ist tatsächlich den Kleinkram sichtbar zu machen, (der gefühlt als Verantwortung auf meinen Schultern lastet) und besser zu verteilen.

Ich hab mich mal darüber ausgesponnen, dass man doch ein Ticketssystem verwenden könnte, um die ToDos festzuhalten. Denn sehr viele scheinbar einfache ToDos haben in meinem Kopf eine Anzahl an Unterschritten, die eigentlich mitzuerledigen sind – die aber oft liegen bleiben, bzw. an mich zurück gehen und sich dann still und heimlich anhäufen:

Ticket td543 Hol‘ bitte die Kinder ab beinhaltet im Grunde eine ganze Reihe unausgesprochener Teilschritte, die abzuarbeiten sind, bevor das Ticket geschlossen werden kann. […]. Zu den Unteraufgaben gehören beispielsweise td543a Ausflugkasse zahlen, td543b Wochenkalender checken, td543c Termine in den gemeinsamen Kalender übertragen, td543d Wechselsachenbeutel auf Vollständigkeit kontrollieren, td543e Kinder mit Sonnenschutz eincremen und td543f Toilettengang veranlassen.

Jetzt kann man natürlich die Hände über dem Kopf zusammen schlagen und sagen, eigentlich ist es ja auch OK, die Kinder einfach abzuholen. Das stimmt erstmal, bedeutet aber langfristig, dass die anderen Sachen nicht gemacht werden bzw. stillschweigend von der anderen Person nachgearbeitet werden.

Der Familienalltag ist aber voll von diesen unsichtbaren Aufgaben.

Ich würde diese Aufgaben gerne irgendwie sichtbar machen und besser verteilen. Deswegen habe ich heute morgen mal versucht das Ganze mit Trello abzubilden. Dabei merke ich schnell, dass mindestens noch ein Kalender fehlt.

In dem Moment, in dem ich aber zwei oder mehr Anwendungen befüllen muss, sehe ich das ganze Vorhaben schon wieder gescheitert.

Eine gemeinsame Einkaufsliste wäre ja auch noch ganz gut. Sind wir schon bei drei unterschiedlichen Anwendungen.

Natürlich kann und muss man zusätzlich kommunizieren. Ich hab aber das Gefühl, dass vieles einfach untergeht. Mündlich genauso wie per Threema und Co.

Deswegen glaube ich stur und fest, dass Technik (auch im Sinne der Dokumentierbarkeit und weil es dann evtl. nicht zehn Orte sondern einen Ort gibt, bei dem man nachschauen kann) helfen könnte.

Wie genau führt man solche Listen? Wie plant man Familienleben?

Einfache Aufgabe: Abendessen für die Woche.

Schreibt ihr am Wochenende auf, was es die kommende Woche zu essen geben soll? Leitet sich davon eine Einkaufsliste ab? Gibt es dann einen Großeinkauf oder mehrere kleine Einkäufe?

Wie geht ihr mit dem Kleinkram um (Geschenk für den Kindergeburtstag kaufen, Fahrkarten für den Schulausflug, neue Turnschuhe besorgen)?

Verteilt ihr solche ToDos wirklich namentlich oder gibt es eher stillschweigende Vereinbarungen und Gewohnheiten?

Haltet ihr nach (Was ist eigentlich mit XY? Bzw. meldet der eine Partner dem anderen Partner: ToDo XY ist jetzt erledigt)?

Wie wird mit den wiederkehrenden ToDos (Fingernägel schneiden, Elternheft kontrollieren, Essensplan der Schule ausfüllen) umgegangen?

Wie mit den offiziellen Terminen (z.B. Elternabend, Schulanmeldung, U-Untersuchung)?

Welche Apps benutzt ihr? Mit was seid ihr schon gescheitert und warum?

 

Einige Antworten habe ich schon in den Replys auf meinen Tweet bekommen (vielen Dank dafür), vielleicht hat der/die ein oder andere noch Lust die Erfahrungen in den Kommentaren etwas ausführlicher zu schildern. Ich würde mich freuen.

Genannt wurde z.B. Bring für Einkaufslisten, Workflowy, Google Notes, Google Keep und Wunderlist.

Alle sollen Prinzessin sein dürfen

Uniformität
Symbolbild Elsaisierung
Pixabay @Aenigmatis-3D

Letzte Woche hat die Schule mit den Kindern Fasching gefeiert. Der Unterricht fiel aus und es wurden den ganzen Tag getanzt und gespielt. Die Kinder waren angehalten verkleidet zu kommen.
Abends im Bett unterhalte ich mich mit Kind 3.0, das sich als Kräuter-Experte verkleidet hatte.
„Als was hat sich deine Sitznachbarin verkleidet?“
„Elsa“
„Oh und Paula?“
„Auch.“
„Auch als Elsa? Das ist ja ein lustiger Zufall. Und Sabine?“
„Elsa.“
Ich schaue Kind 3.0 sehr verwirrt an.
„Eigentlich haben sich fast alle Mädchen als Elsa verkleidet.“

Vor meinem Auge tanzt ein Heer an Elsas.

Ich halte diese zunehmende Vereinheitlichung von Kinderphantasien für einen Effekt erfolgreichen Gender-Marketings.

[In den Kommentaren gerne eine Diskussion darum, ob Elsa nicht eigentlich eine feministische Prinzessin ist.]

Interessant ist für mich v.a. die Vereinheitlichung von Kinderphantasien. Warum trifft man auf einer Faschingsparty v.a. auf Prinzessinnen (und Superhelden, wenn man sich die Jungs anschaut)?
Warum blickt man nicht in eine große, bunte Schar von Astronautinnen, Wissenschaftlerinnen, Hasen, Polizistinnen, Räuberinnen, Cowgirls, Feuerwehrfrauen und Diebinnen?
Warum wagt es umgekehrt selbst an Karneval kaum ein Junge in die Rolle einer Prinzessin, eines Lehrers, einer Katze oder eines Tänzers?

Ich würde sagen, das hat viele Gründe: Zum einen werden die Geschlechtersterotypien durch Werbung und Co. immer stärker eingeschränkt und damit verbunden fürchten Kinder (oder deren Eltern) unbewußt um ihre Geschlechtsidentität. Kann ein Junge ein Junge sein, wenn er sich als Prinzessin verkleidet?

Da ist es wieder, das Prinzessinnen Thema.

Ich war gestern auf der Verleihung des Goldenen Zaunpfahls, ein Negativpreis, der das absurdeste Gendermarketing-Produkt kürt.

Wenn man das Hashtag #goldenerZaunpfahl auf Twitter filtert, stößt man immer wieder auf Frauen, die sinngemäß sagen: „Na und? Ich liebe Prinzessinnen! Ich möchte eben Prinzessin sein. Warum könnt ihr mir das nicht lassen?“

Diese Frauen möchte ich gerne ein bisschen zärtlich schütteln und ich frage mich: Wann werden sie es verstehen?
Wann werden sie verstehen, dass niemand ihnen das Prinzessinsein nehmen will (also ich zumindest nicht) – sondern, dass eine bestimmtes Prinzessinnen-Stereotyp erst dann ein Problem ist, wenn es die einzige Wahl, die einzige Phantasie, das einzige Vorbild für aufwachsende Mädchen ist.

Denn ja, ich persönlich habe ein Problem damit, dass meinen Töchtern als (Lebens)Ziel vorgegeben wird, dass sie artig, sittsam, brav, sauber, hübsch, sexy und nicht so vorlaut sein sollen.

Und genauso bedauernswert finde ich es für meine Söhne, wenn Männlichkeit sich über Kraft, Macht, Unterdrückung, Dominanz, Gewalt und Härte definiert.

Denn was ist mit den künstlerisch interessierten Jungs? Den Sensiblen? Denen, die gerne tanzen und singen? Denen, die Glitzer und Rosa mögen? Denen, die tierlieb sind oder denen, die fürsorglich sind?

In meiner Lebensfilterbubble haben wir mit solchen Stereotypen zum Glück nicht viel zu tun. Das liegt aber auch am Alter der Kinder. Allein schon kein Fernsehgerät mit Werbeunterbrechungen in den eigenen vier Wänden zu haben, hilft da ungemein. So bleiben wir von Werbung verschont, die uns zeigt, dass Frauen lächelnd Salat essen sollen, damit sie bloß nicht zu dick werden, dass sie teure Produkte kaufen, um ihre Defizite wie FALTEN und FRIZZ zu beheben, wohingegen die aktiven, leistungsstarken Männer samt Duschgel wagemutig von zehn Meter hohen Clippen springen.
Es gibt auch keine Frauen- und Männermagazine in unserer Wohnung, die uns z.B. zeigen, dass Männer anders backen NÄMLICH MIT HACKFLEISCH!

Wir kommen mit diesen absurden Frauen- und Männerbildern nur in Kontakt, wenn wir unsere Wohnung verlassen. Erst im Supermarktregal lernen wir was echte Frauen bzw. echte Männer tun sollen oder wie sie sein sollen.

Im Babyalter kann ich mich als Mutter noch wehren gegen diese Einflüsse. Sollte jemand so irre sein und mir einen Babystrampler schenken, auf dem steht „Ich hasse meine Oberschenkel„, dann kann ich den Strampler anzünden oder anderweitig entsorgen.

Was aber macht man, wenn die Kinder im Schulalter sind und all diese schönen Produkte geschenkt bekommen? Nimmt man sie ihnen ab? Streitet man sich mit der Verwandtschaft, die sowas niedlich oder witzig findet? Zwingt man ihnen zu jedem Produkt eine Diskussion über die Gefahren des Gendermarketings auf?

Besonders zur Verzweiflung bringen mich zur Zeit übrigens Bücher „für Jungs und Mädchen„.
Denn im Gegensatz zum gegenderten Wasser, enthält ein gegendertes Buch nicht den selben Inhalt.
Gegendertes Wasser ist einfach Schwachsinn. Wenn mein Kind dauerhaft Wasser aus einer rosafarbenen Flasche trinkt, passiert im Wesentlichen: nichts.

Wenn meine Töchter aber Bücher extra für Mädchen lesen, die ihre Aktions- und Entwicklungsmöglichkeiten bis zum Get-no auf Shoppen, Schönheit und Begehrenswertkeit einschränken, dann bekomme ich wirklich Wut.

Sehr viel schlimmer geht es nicht. Quelle: http://ich-mach-mir-die-welt.de/2014/09/drei-ausrufe-und-drei-fragezeichen/

Wenn meine Töchter aufwachsen und lernen: Mädchen können kein Mathe, Mädchen haben einen Pflegeinstinkt, Mädchen kochen gerne, Mädchen müssen von tapferen Rittern gerettet werden… dann muss ich würgen.

Mit meinen Söhnen geht es mir übrigens nicht anders: warum sollen sie lernen: echte Männer weinen nicht? Echte Männer lieben scharfe Soßen! Fleisch! Sie fahren schnelle Autos, sie sind mutig, sie haben Muskeln!

Das Problem sind also nicht die Prinzessinnen (und übrigens auch nicht die Kindertaschen mit glitzernden Delfinen), das Problem ist das Klischee, das damit verbunden wird.

Warum dürfen meine Kinder nicht unabhängig vom Geschlecht alles sein? Wenigstens als Kind? Wenigstens in ihrer Phantasie?

Wie sollen Mädchen sein dürfen?

Ich schließe mit den Worten von Antje Schrupp aus Gegen den Geschlechterblödsinn:

„Wir sollten das zugeben: Indem wir Gendermarketing tolerieren, zementieren wir Rollen, behindern wir Kinder in ihrer freien Entfaltung. Wir machen es ihnen schwer, zu ihren eigenen, individuellen Vorlieben und Stärken zu finden, indem wir sie schon als Babys darauf trimmen, dass sie als Mädchen dies und als Jungen das zu wollen hätten.“

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Zum Abkühlen dann noch die Positivbeispiele der Preisverleihung gestern.

Denn auch ich freue mich, wenn Firmen versuchen es besser zu machen. Ich bin ganz bei Tarik Tesfu, der sinngemäß sagte: Ja, man kann da auch noch berechtigt kritisieren, aber zuerst kann man ja feiern, dass Feminsmus und Diversität in den Mainstream-Medien angekommen sind.

Deswegen hier drei schöne Beispiele: Telekom, Audi und H&M:

Ganz großartigen Hip-Hop, der sich mit dem Thema Rollenklischees beschäftigt, gibt es übrigens auch:

Abschließend: Ganz herzlichen Dank an Almut Schnerring, Anke Domscheit-Berg und Sascha Verlan für ihren Einsatz! Möge der Goldene Zaunpfahl schon sehr bald nicht mehr nötig sein.